Funktionale Anti-Eis-Oberflächen durch Plasmabeschichtung (und Mikrostrukturierung)

Dissertationsvorhaben von Philipp Grimmer M. Sc., Promotion innerhalb der Graduierten- und Forschungsschule "Effiziente Energienutzung" Stuttgart (GREES)

In der Graduiertenschule werden in einem regelmäßigen Seminar unterschiedlichste Themen der Energieeffizienz in Wirtschaft, Politik und Industrie behandelt. Am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie liegt der Schwerpunkt der experimentellen Arbeit auf funktionalen Anti-Eis Oberflächen.

Die Vereisung von Oberflächen technischer Anlagen und Verkehrsmittel, insbesondere von Windrädern oder Flugzeugen, verursacht verschiedene Probleme. Beispielsweise wird die technische Wirksamkeit oder die Sicherheit reduziert. Da herkömmliche Enteisungsmethoden einen hohen Einsatz an elektrischer Energie oder umweltschädlichen Chemikalien benötigen bzw. hohe Kosten verursachen, wurde in letzter Zeit zunehmend an einer passiven Methode geforscht - funktionalen, eisabweisenden Oberflächen. Auf diesen Oberflächen soll eine reduzierte Eisbildung und reduzierte Eishaftung erzielt werden.

Für solche „Anti-Eis“-Oberflächen existieren verschiedene Konzepte. Der Ausgangspunkt am Institut ist die Erzeugung einer stark wasserabweisenden, sogenannten super-hydrophoben Oberfläche, nach einem Vorbild aus der Natur, dem Blatt der Lotuspflanze. Die schlechte Benetzung der Oberfläche mit Wasser und die geringe Kontaktfläche der Wassertropfen sollen zu einer geringeren Eisbildung und Eisadhäsion führen. Dadurch kann das Eis eventuell schon durch geringe Kräfte, beispielsweise Wind oder Gravitation, abgelöst werden. Eine superhydrophobe Oberfläche kann nur durch die Kombination aus richtiger Oberflächenchemie und passenden Mikrostrukturen erzeugt werden. In unserer Arbeitsgruppe liegt der Fokus auf Polyurethan-Folien (PU), da diese bereits erfolgreich im Außenbereich eingesetzt werden. Für die Herstellung der Oberflächen werden Heißpräge-Verfahren zur Mikrostrukturierung und PECVD-Verfahren (plasma enhanced chemical vapor deposition) zur Oberflächenbeschichtung untersucht. Diese Verfahren haben den Vorteil, dass sie in Zukunft in einen Rolle-zu-Rolle-Prozess für die kontinuierliche Kunststofffolien-Produktion integriert werden können.

Für das Heißprägen existieren verschiedene, mittels Laser mikrostrukturierte Metall-Stempel (max. Größe DIN A4). Diese enthalten unterschiedliche Mikrostrukturen im Negativformat. Auf den mikrostrukturierten Kunststoffproben wird anschließend im PECVD-Verfahren eine hydrophobe, Fluorkohlenstoff- oder Silikon-artige Polymerschicht aufgebracht. Für die Analyse der Oberflächen werden verschiedene Methoden eingesetzt. Die Negativstrukturen auf den Stempeln sowie die Positivstrukturen auf den geprägten PU-Folien werden mittels digitaler Lichtmikroskopie und konfokaler Laser Scanning Mikroskopie analysiert. Die abgeschiedenen Schichten besitzen eine Dicke im Bereich von ca. 150 nm bis 300 nm, was mithilfe der spektroskopischen Ellipsometrie bestimmt werden kann. Die Oberflächenchemie kann durch Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie (XPS oder ESCA) analysiert werden. Zur Bestimmung der Oberflächenenergie werden dynamische Kontaktwinkel-Messungen mit Wasser durchgeführt. Einige Oberflächen zeigten bereits einen Kontaktwinkel von mehr als 150° und eine sehr niedrige Kontaktwinkel-Hysterese.

Für die Untersuchung des Ausfrierens von Wassertropfen und die Messung der Eisadhäsion auf den verschiedenen Oberflächen wurde ein neuer Teststand mit einer neuen Gefrierkammer entwickelt. Der Teststand enthält mehrere Temperatur-Sensoren und einen Luftfeuchtigkeits-Sensor zur Überwachung sowie einen Kraft-Sensor für die Eisadhäsion. Damit wird das Ausfrieren von Wassertropfen sowie die Eisadhäsion auf verschiedenen Oberflächen untersucht. Es zeigte sich eine deutlich verringerte Eisadhäsion auf einigen superhydrophoben Oberflächen. Die niedrigste, gemessene Eisadhäsion lag bei ca. 120 kPa, auf reinem PU oder Aluminium liegt die Eisadhäsion dagegen bei ca. 1500 – 2000 kPa. Das Ausfrieren von Wassertropfen wird zudem mithilfe eines Multiphysik-Simulationstools analysiert und mit den Experimenten verglichen.

Nebenbei werden weitere Tests für die hergestellten Oberflächen, beispielsweise zur Stabilität, entwickelt. Zudem wurden weitere Konzepte für Anti-Eis Oberflächen, wie heizbare Lacke oder transparente, heizbare Schichten, Anti-Freeze-Proteine oder Taumittel-freisetzende Polymerpartikel in geringerem Umfang betrachtet.  

 

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