Bis 2050 soll die chemische Industrie fast vollständig klimaneutral wirtschaften und auf fossile Rohstoffe wie Öl, Gas oder Kohle verzichten. Deshalb müssen alternative Kohlenstoffquellen und erneuerbare Energien in die Produktion integriert werden. Eine Forschungsinitiative der Universität Stuttgart, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) will nun ein Konzept für die Chemiefabrik der Zukunft erarbeiten. Der Verbund mit dem Namen CHEM|ampere will die Technologien und Prozesse grundlagen- wie auch anwendungsorientiert untersuchen und entwickeln.
Gemäß dem Klimaschutzplan der Bundesregierung sowie der aktuellen Beschlüsse des Klimakabinetts müssen alle Sektoren – auch die chemische Industrie – bis 2030 gegenüber dem Jahr 1999 eine CO2-Minderung um 55 Prozent erbringen. Die chemische Industrie hat bereits erhebliche CO2-Minderungen erbracht, indem sie ihre Prozesse mit Blick auf größtmögliche Effizienz immer weiter optimiert hat. Für den weiteren Weg zu einer weitgehend CO2-neutralen Produktion bis 2050 sind jedoch grundlegend neue Technologien notwendig. Insbesondere muss auf nicht-fossile Rohstoffe als stoffliche Ausgangsbasis für die chemische Produktion umgestellt werden. So könnten neben Abfallströmen und Biomasse auch die weltweit verfügbaren nicht-fossilen Verbindungen Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) eingesetzt werden, um klima-neutrale Kohlenwasserstoffe herzustellen, wobei Sauerstoff (O2) und Stickstoff (N2) als Rohstoffe für höherpreisige Produkte dienen könnten. Hinzu kommt: Für eine CO2-neutrale Produktion muss die für die Aktivierung dieser Moleküle notwendige Energie aus regenerativen Quellen stammen. Für eine wirtschaftliche Darstellung dieser Verfahren sollen zunächst bevorzugt höherpreisige Spezialchemikalien hergestellt werden.
Plasmaverfahren, Elektrolyseprozesse und elektrisch beheizte Reaktoren als Basistechnologien
Das Konzept der neuen Forschungsinitiative basiert auf dem Einsatz von regenerativem elektrischem Strom als Sekundärenergieform zur Aktivierung der nicht-fossilen und gut verfügbaren Rohstoffe CO2, H2O, O2 und N2. Sie fokussiert auf drei elektrischen Produktionstechnologien: Plasmaverfahren, Elektrolyseprozesse und elektrisch beheizte Reaktoren. An den Instituten der Universität Stuttgart und den beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden bereits rund zehn Forschungsprojekte durchgeführt, die im Rahmen der Initiative gebündelt und erweitert werden.
Sprecher der Initiative ist Prof. Elias Klemm, Leiter des Instituts für Technische Chemie (ITC) der Universität Stuttgart. Zusammen mit dem Institut für Technische Thermodynamik des DLR forscht das ITC seit 2009 an der CO2/H2O-Coelektrolyse. Das ZSW hat eine lange Tradition im Bereich der Gewinnung von CO2 aus der Luft und der Umwandlung von Ökostrom in Wasserstoff und Methan. Plasmaverfahren werden am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie und am Institut für Photovoltaik der Universität Stuttgart sowie am Fraunhofer-IGB durchgeführt. Die direkte elektrische Beheizung von chemischen Reaktoren wird vom „MCI – Die Unternehmerische Hochschule“ in enger Zusammenarbeit mit der Firma CoorsTek und der Universität Stuttgart wahrgenommen. Firmen wie Clariant, BASF und Evonik sowie Organisationen wie die DECHEMA haben zugesagt, im Beirat der Forschungsinitiative mitzuwirken. Die Forschungsinitiative soll zum 1. Januar 2020 starten.
Fachlicher Ansprechpartner
Prof. Dr. Elias Klemm, Universität Stuttgart, Institut für Technische Chemie, Tel. +49 / (0)711 685- 64059, E-Mail